Nie wieder

Es beginnt mit dem Kindergeburtstag. Über den Valentinstag kommen wir zu den Geschenken und am Ende ist es doch noch eine schöne Sonntagspredigt geworden. 


Wir brauchen ein Geburtstagsgeschenk für das Kind. Ja, was können wir ihm schenken? Nun, wir schenken ihm den Kindergarten. Täglichen Kontakt zu Gleichaltrigen wird er schon zu schätzen wissen. Aber das ist kein Geschenk, über das man sich gleich freuen kann, weil es erst mit der Zeit schön wird. Also schenke ich ihm auch noch ein bisschen Zeit. Ich konnte die Elternzeit verlängern, und muss erst im Mai wieder arbeiten. Aber auch das ist natürlich kein richtiges Geschenk. Ein Geschenk muss man auspacken können, damit man sich dann wenigstens einen Tag lang darüber freuen kann. Das weiß ich, weil meine Frau, die beste aller Ehefrauen und Mütter, keine Gelegenheit auslässt, mir schön verpackte Geschenke zu überreichen. Womit wir es in wenigen Sätzen vom Kindergeburtstag zum Valentinstag geschafft hätten. Ich will um Himmelswillen keinen Stress machen, aber es sind nur noch sieben Tage! Für Versandbestellungen wird es jetzt höchste Zeit. Es muss ja kein großes Geschenk sein. Im Gegenteil, je kleiner, desto besser und der Preis sollte auch keine Rolle spielen. 

Der Umgang mit Geschenken ist ein wichtiges Lebensthema, dem man sich nicht früh genug zuwenden kann. Ein Geschenk ist kein Verdienst. Man hat darauf keinen Anspruch und kann es nur dankbar annehmen. Aber man muss es auch wieder loslassen können, denn es ist gewissermaßen freiwillig zu einem gekommen. Und so kann es uns auch wieder verlassen. Kinder verstehen das intuitiv. Sie wissen ja erst mal noch nichts von Verdienst und Leistung.  Aber dann verlernen sie diesen Umgang mit Geschenken wieder. Das nennen wir dann erwachsen werden. 

Erwachsene wollen keine Geschenke mehr haben. Wir kaufen uns alles von unserem sauer verdienten Geld und dann gehört es uns und wir müssen es mit Klauen und Zähnen festhalten und verteidigen, koste es, was es wolle und sei es das Leben. Dabei ist das größte Geschenk im Leben doch das Leben selbst. Leider ist es mit unserer Dankbarkeit dafür nicht weit her und loslassen will man es gleich gar nicht mehr. Die Unwahrscheinlichkeit und Unverfügbarkeit des Lebens kann man sich nicht oft genug klarmachen und in Erinnerung rufen. Am besten täglich. Die Mahlzeiten wären eine gute Gelegenheit dafür. Und so sitze ich  - reich beschenkt und dankbar -  an unserem Esstisch: dankbar dafür, dass ich am Leben bin, dankbar dafür, dass ich satt zu essen und zu trinken habe. Und dankbar dafür, dass ich nicht alleine bin. Nicht mehr. Und nie wieder. 

Veröffentlicht in Elternzeit am 07.02.2022 12:30 Uhr.

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