Baum_Sonne

Nachrichten vom liedersaenger

Eine andere Geschichte

Elternzeit und Advent gehören zusammen, wie Öffentlicher Nahverkehr und Weihnachten. 


Während wir uns, was das Weihnachtsfest betrifft, nun auf der Zielgeraden befinden, geht unsere persönliche Adventszeit, soweit sie die Geburt eines Kindes betrifft, noch gut einen Monat länger. Nachdem ich diesen Satz nun ungefähr fünfundvierzig Minuten lang betrachtet habe, komme ich zu dem Schluss, dass ihm eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist. Es ist schon schade, wenn einem die Fähigkeit zur Plauderei so abgeht. Man könnte doch seitenlang über das Weihnachtsfest schreiben: wie es früher war, was daraus geworden ist, welche Erinnerungen man damit verbindet. Dazu will mir aber partout nichts einfallen, außer, dass es zum Weihnachtsfest natürlich immer einen entsprechenden Baum gab. Die einzig von mir geliebte Frau hat jetzt einen gekauft, ein Bäumchen im Topf, er läge noch im Auto. Auf Grund ihres Zustandes hätte ihr der Verkäufer beim Einladen geholfen. Er hätte einen Wagen gehabt. Ich versprach, das Bäumchen auszuladen und erstmal in den Garten zu stellen. 

Was ich nicht wusste: der Topf, eher ein Eimer, war mit Zement ausgegossen worden, bevor man das arme Bäumchen hineingesetzt hat. Es grenzt an ein Wunder, dass die Hinterachse durchgehalten hat. Ich hatte keinen Wagen und musste das Trumm mit dem Gewicht einer Waschmaschine irgendwie aus dem Auto hieven. Mit Hilfe der Schwerkraft ist das letztlich gelungen, aber es scheint doch eher unwahrscheinlich, dass ich das Ungetüm über die schmale Bodentreppe in unsere Dachwohnung verbringe. Zumal wir Weihnachten gar nicht zu Hause sind. Unser Kind will unbedingt einen Weihnachtsbaum schmücken und das können wir auch im Garten machen. Draußen bleibt der Baum auch länger frisch und wir haben nicht das Problem mit den Nadeln. 

Zum Weihnachtsfest gehören natürlich auch Geschenke und dazu fällt mir ein, dass ich meine neuen Handschuhe und meine Mütze im Bus liegen gelassen habe. Es ist nicht ganz einfach, sich in einen vollen Bus zu drängeln und Brille, Mütze und Handschuhe einerseits und Telefon, Maske und Fahrkarte andererseits zu koordinieren. Wenn man dann einen Sitzplatz findet, legt man schon mal was aus der Hand. Ich kann froh sein, dass es nicht die Brille oder das Telefon war. Auch erlauben es die Temperaturen zurzeit ohne Mütze und Handschuhe unterwegs zu sein. Aber die Temperaturen können sich schnell wieder ändern. Also muss ich vor Weihnachten nochmal ins Fundbüro. Aber das wird eine andere Geschichte.

Veröffentlicht in Elternzeit, ÖPNV am 22.12.2022 9:32 Uhr.

Hemmschuh und Bremsklotz

Das Wort "Schienenersatzverkehr" triggert nicht nur die Rechtschreibprüfung. Es ist die Antwort der Bahn auf unser Bedürfnis nach einem reibungslosen Alltag. 


Wenn man schon zwei Stunden jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit unterwegs ist, könnte man doch schön in der Bahn so dies und das erledigen. Aber die Bahn wäre nicht die Bahn, wenn Sie bei der Störung und Behinderung des Alltagslebens halbe Sachen machen würde. „Hemmschuh“ und „Bremsklotz“ sind schließlich Begriffe, die aus dem Bahnbetrieb stammen. Nein, das Umsteigen in den Schienenersatzverkehr und wieder zurück ermöglicht keine andere Beschäftigung, als tatenlos aus dem Fenster zu gucken. Trotzdem lassen sich doch einige interessante Beobachtungen machen. Es gibt nämlich nur auf einer Seite der Bahnanlage eine Wendestelle für den Bus. Manchmal steht der Zug aber aus Gründen, die sich dem Außenstehenden nicht erschließen, auf dem gegenüberliegenden Gleis. Man müsste jetzt den Weg, den man gerade mit dem Bus gekommen ist, ein ganzes Stück zurücklaufen, eine Brücke überqueren und käme dann erst am anderen Gleis an. Der Mensch scheint nun aber so beschaffen zu sein, dass er sich immer den kürzesten Weg sucht. Außerdem entsteht so etwas wie Schwarmverhalten, bei dem Überzeugungen und Einstellungen des Individuums einfach überschrieben werden können. 

So wälzt sich dann also ein beachtlicher Schwarm von Businsassen zu dem nächstliegenden Gleis, an dem aber gar kein Zug steht. Hier kommt der Fluss der Bewegung kurz ins Stocken, bis der erste - hopp - hinunter in die Gleise springt, diese überquert und drüben wieder herausklettert. Das machen dann alle so, ob alt der jung, ob mit Gepäck oder ohne. Spontan entsteht Solidarität und sogar Kinderwagen werden gemeinsam übers Gleis getragen. Hält der Zug auf dem Rückweg auf dem falschen Gleis, steht meistens noch kein Bus da, so dass der Schwarm sein Ziel nicht direkt vor Augen hat. Wenn dann eine kurze Ansage erfolgt, der Weg zum Bus führe über die Brücke, latschen alle los und gehen klaglos und zielstrebig den langen Weg, auch die, die am Morgen über die Gleise gekommen sind. Wollte man also verhindern, dass sich jemand im Gleis die Haxen bricht, müsste wahrscheinlich nur der Busfahrer eine Ansage machen, dass der Weg über die Brücke führe. Wenn dann die ersten in Richtung Brücke losmarschieren, wäre der Drops gelutscht. 

Über solche Zusammenhänge denken Busfahrer aber nicht nach und Gleise gehen sie sowieso nichts an. Ich denke als Schwarmmitglied natürlich auch nicht und wenn ich nach zwei Stunden endlich zu Hause ankomme, spute ich mich, mein Söhnchen endlich aus dem Kindergarten auszulösen. Dem scheint es jetzt dort richtig gut zu gefallen. Er denkt gar nicht ans nach Hause fahren, sondern will mir alle Spielgeräte im Außengelände zeigen und auch mit mir dort spielen. Nach dem ich ihn zwei Monate gegen heftigen Widerstand dort zurückließ, trage ich ihn nun gegen seinen lautstark ausgedrückten Willen von dort ab. Meine Oma hat immer gesagt: „Die Erde dreht sich!“ Und mir ist längst klar: „Dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.“

Veröffentlicht in Elternzeit, ÖPNV am 07.05.2022 9:48 Uhr.

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