Nicht stehenbleiben!

Ja, ich weiß: meine Leserinnen und Leser möchten diesen Text am Sonntag zum Frühstück genießen. Das liegt im Moment jedoch nicht im Bereich des zeitlich Machbaren. Das Leben hat in einer Weise Fahrt aufgenommen, dass ich ständig in Bewegung bleiben muss, um einigermaßen Schritt zu halten. Man muss sich eben auf das Wesentliche beschränken. So, wie mir mein Sohn Sandmann-Geschichten vorliest: „Möchtest du den Montag hören?“ „Ja, unbedingt! Bitte!“ „Heute ist Montag. So, das war's schon.“ Gerade stellen wir uns vor wie es wird, wenn das Kind in die Schule kommt. Der Lehrer fragt: „Vor dem Haus stehen zwei Kastanienbäume. An jedem Baum hängen vier Kastanien. Wie alt ist der Opa?“
Wir geben die Aufgabe bei ChatGPT ein. Die Antwort lautet: „Die Anzahl der Kastanien an den Bäumen und das Alter des Opas sind zwei völlig unabhängige Informationen und haben keine direkte Beziehung zueinander. Daher kann die Frage nach dem Alter des Opas nicht anhand der gegebenen Informationen beantwortet werden.“ Ganz schön frech, oder? Ich weiß nicht, ob sich ein Kind trauen würde, so eine Antwort zu geben. Auch mir wäre diese Antwort nicht eingefallen, obwohl ich mir die Aufgabe ausgedacht habe. Trotzdem sollte die höchste Punktzahl denjenigen vorbehalten bleiben, die es fertig bringen, sich ihres Verstandes ohne die Führung oder Leitung einer Maschine zu bedienen. Wer den Chat-Joker zieht, büßt eben Punkte ein oder man hat nur eine begrenzte Anzahl Joker im Schuljahr.
Die kleine Schwester muss sich darum aber noch keine Gedanken machen. Die beiden sind aber auch wie Latsch und Bommel. Es wird gekuschelt und keiner will schlafen, ohne dem anderen Gute Nacht gesagt zu haben. Das würde sich schlagartig ändern, wenn die Kleine anfängt zu laufen, heißt es. Noch laufe ich. Im Regen, bei Hagel oder Sonnenschein. Bleibe ich stehen, wird sie laut. Also fahre ich weiter und weiter und diktiere dabei in meine Armbanduhr. Aber auch damit muss ich jetzt aufhören, denn sobald ich damit anfange, gehen die Augen auf. Vielleicht siehst du mich ja mal auf deinem Weg oder vor deinem Fenster. Ich bin der schweigende müde Mann mit dem Kinderwagen und ich fahre weiter und weiter. Und weiter. Und immer weiter.
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Veröffentlicht in Elternzeit am 16.04.2023 12:18 Uhr.